Mittwoch, 4. Oktober 2017

Griechen – Alles nur Klischees oder wirklich wahr?


Als Kind deutscher Eltern, das in Griechenland aufwuchs, habe ich immer etwas darunter gelitten, dass ich nie wirklich irgendwo richtig dazu gehört habe. In Griechenland war ich immer die Deutsche, in Deutschland die Griechin. Immer wurde ich in Verbindung mit Klischees gesetzt, die den Leuten irgendwann mal über die jeweiligen Landsleute zu Ohren gekommen sind. Nun, heutzutage habe ich aufgehört zu versuchen in irgendeine Schublade zu passen. Denn das werde ich nie schaffen, selbst wenn ich mich in Einzelteile zerlege und auf die Schubladen aufteile. Das was mein „ich“ ausmacht ist einfach zu viel, um in ein paar abgegriffene Schubladen zu passen. Ich denke dies gilt für die meisten Menschen. Trotzdem habe ich über die Jahre hinweg viele dieser Klischees bestätigt gesehen bei den Menschen, die sich mit geschwollener Brust „Grieche“ oder auch „Deutscher“ nennen. In diesem Blogpost möchte ich ein paar dieser Klischees über Griechen aufgreifen und durch meine eigenen Erfahrungen aufklären. Ich werde versuchen dies mit Humor zu tun und möchte nicht, dass sich jemand dadurch angegriffen fühlt, denn jeder ist so wie er ist und das ist gut so.



Klischees gibt es Unmengen, und sicher sind euch einige davon bekannt. Es wäre zu viel verlangt, sie alle in einen Blogpost zu quetschen, doch ich habe die fünf, die am meisten verbreitet sind, aufgezählt und hoffe ihr werdet euren Spaß daran haben, meine Erfahrungen dazu zu lesen.

1. Sie sind laut!

Ohrenbetäubend! Wenn ein Deutscher ein griechisches „Kafeneio“ betritt (so nennt man die altmodischen Cafés, in denen die älteren Herrschaften ihren morgendlichen Kaffee oder Ouzo trinken), dann denkt er meistens, die Leute streiten sich alle miteinander. Dabei sind es oft ganz banale Unterhaltungen wie z.B: „Was soll es denn morgen für ein Wetter geben?“, „Regen haben sie im Radio angesagt“, „Na hoffentlich, wird Zeit dass die Oliven mal ein bisschen Wasser sehen“, die auf einer Lautstärke stattfinden, die für einen Deutschen nahezu schockierend wirkt. Auch in den Cafés, die meistens von jüngerer Kundschaft besucht werden, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Schulen und sogar in Gerichtssälen herrscht ein Lärmpegel wie auf einer Raver-Party. Natürlich wird auch den Kindern diese Lautstärke anerzogen. Wenn wir Besuch von den zwei Cousinen meines Mannes mit ihren drei Kindern bekommen, muss ich mich nach einer Stunde Getöse (mehr halte ich nicht aus) mit einer Paracetamol ins Bett legen, um die Kopfschmerzen zu lindern, komplett weg sind sie erst am nächsten Tag. Ich muss ja zugeben, dass ich selbst schon recht laut bin, doch wenn wir mal in Athen sind, muss ich meinen Mann immer anflehen doch bitte NICHT zu seinen Cousinen zu fahren. Das ist keineswegs böse gemeint, seine Cousinen sind total lieb. Ich habe jedoch einmal den Fehler gemacht, mich auf eine Übernachtung bei ihnen einzulassen und habe mich am nächsten Tag gefühlt, als hätte ich drei Tage lang ununterbrochen, bei praller griechischer Sonne, mit einem Spaten auf dem Feld gegraben und wurde auf dem Heimweg von der deutschen Dampfwalze überrollt.

2. Sie essen viel und ganz besonders Fleisch.

Tonnenweise! So fettig und so süß wie möglich wird Nahrung zu jedem erfreulichen Anlass, aber auch als Lösung jedes Problems zu sich genommen. Da ich -im Gegensatz zu den meisten Griechinnen- schon immer eine recht hagere Figur hatte und auch keinen sehr großen Appetit an den Tag legte, leide ich seit jeher unter dem ausgeprägten „Fütterinstinkt“ griechischer Muttis und Omis. Wenn ich ein wabbeliges Stück Schweinefett oder ein vor Sirup triefendes Stück Backlava ablehne, kommen Sprüche wie: „Isst du denn gar kein Fleisch?“ oder „Magst du denn nichts Süßes?“. Die Äußerung, dass ich mageres Fleisch bevorzuge und auch darauf nicht immer Appetit habe, wirft nur noch mehr Fragen auf. Daher versuche ich es gar nicht erst zu erklären, dass ich Süßwaren bevorzuge, die nicht noch extra in Sirup „ertränkt“ wurden. In beiden Fällen bekomme ich ein saftiges Stück auf den Teller geschmissen mit dem Kommentar: „Du musst was essen Kind, du hast ja bald kein Fleisch mehr auf den Knochen!“. Noch weniger Verständnis als dafür, dass jemand keinen Backlava mag, bringen die meisten Griechen für die Tatsache auf, dass es Menschen gibt die sich aus irgendwelchen Gründen dafür entschieden haben, ihr ganzes Leben lang auf Fleisch zu verzichten. Vegetarier, die ihren Urlaub in Griechenland verbringen, schwärmen oft davon, wie viele leckere vegetarische Gerichte es in Griechenland gibt. Von den Gastwirten werden sie jedoch in die Schublade 'verrückte Ausländer' gesteckt. „Die Deutschen, die machen halt so komische Sachen, z.B. in ein Restaurant zu gehen und nur Beilagen bestellen“ . Als ich mit 17 Jahren aus Deutschland wieder zurück nach Griechenland zog, war auch ich Vegetarierin. Da ich jedoch mehr oder weniger eine von ihnen war, wurde mein seltsames Essverhalten nicht so leicht abgetan wie bei den deutschen Touristen. Ich musste mir andauernd Aussagen anhören wie: „Du isst jetzt wirklich gar kein Fleisch, also auch kein Hühnchen?“ oder mir wurde gleich ein fettes Stück Moussaka aufgetischt. Wenn ich dann sagte: „Ich esse aber kein Fleisch“ kam die Antwort: „Da ist doch nur Hackfleisch drin“.

3. Sie sind nie pünktlich!

Nun, dieses Problem ist meines Erachtens erträglicher als die weiter oben beschriebenen Eigenschaften der Griechen, da man dieses leicht umgehen kann, wenn man die Zeitspanne zwischen der griechischen und der deutschen Pünktlichkeit kennt. Diese beträgt ungefähr eine halbe Stunde (in Griechenland kann man nichts genau sagen), da die Deutschen meistens fünf Minuten zu früh und die Griechen ca. eine halbe Stunde zu spät kommen. Da ich also mit einem Griechen verheiratet bin, der mit eben dieser Wahrnehmung von Pünktlichkeit ausgestattet ist, plane ich inzwischen unsere Termine dementsprechend. Das heißt: Wenn wir uns mit Griechen verabreden, kein Problem, wir fahren einfach dann los wenn mein Mann dazu bereit ist, keiner wird sich dafür interessieren wer wie viel zu spät kommt, da so wie so jeder zu einer anderen Zeit eintrifft. Wenn wir von Deutschen eingeladen werden, geht die Einladung meistens über mich, dann gebe ich Vasili die Uhrzeit einfach minus 30 Minuten an. So kommen wir zwar immer noch etwas zu spät, aber noch bevor die Mundwinkel der deutschen Gastgeber den Boden erreicht haben. Wenn wir selbst ein Treffen organisieren, bestellen wir die Griechen eine halbe Stunde früher und die Deutschen bereiten wir darauf vor, dass die Griechen höchstwahrscheinlich später kommen, so kommen alle ungefähr zur gleichen Zeit. Natürlich funktioniert das nicht immer, da manche Griechen mich schon durchschaut haben und nochmal eine halbe Stunde extra drauf legen. Zum Glück haben sich die Deutschen, die in Griechenland leben oder oft herkommen sich auch schon angepasst.

4. Sie sind überaus gastfreundlich.

Die von Nordeuropäern so angepriesene Gastfreundschaft habe ich schon in mehreren südlichen Kulturen erlebt. Sicher ist es angenehm, wenn jemand als Ausländer in ein Land kommt und so herzlich empfangen wird. Auch wenn man hier wohnt und man immer zu irgendeinem Fest eingeladen wird und man ist jederzeit willkommen bei den Nachbarn wenn man mal was braucht oder einfach nur zum Kaffee. Doch auf die Dauer kann zu viel des Guten ganz schön anstrengend werden. Die Rentner, von denen die meisten Dörfer bewohnt sind, haben nun mal nicht viel zu tun, langweilen sich also, sind meistens (zu) neugierig und verstehen auch nicht, dass andere Leute mehr zu tun haben als sie selbst.

Als ich geheiratet habe und mit meinem Ehemann in ein Haus innerhalb des Dorfes gezogen bin, habe ich zu spüren bekommen, warum meine Eltern beide ihre Behausungen weit abseits vom Dorf gewählt haben. Damals war ich mit meiner neugeborenen Tochter meistens zu Hause und jeden Tag sind irgendwelche älteren Damen aufgetaucht (mit denen wir nach ihren Aussagen auch meistens mit irgendwelchen Verwandtschaftsbänden verbunden waren), die mir ihre Glückwünsche äußerten und mir Geschenke oder Gebäck mitbrachten. Natürlich wollten sie dann auch immer einen Kaffee trinken und ein bisschen das Baby halten. Nach einer Woche dieser täglichen Tortur war meine bis dahin so ruhige Tochter nur noch am Quengeln und zetern und ich habe beschlossen, dass wir jetzt Ruhe brauchen und habe einfach so getan, als wären wir nicht da oder als würden wir schlafen. Als ich dann mit meiner Tochter Spaziergänge machen wollte, sprang fast aus jedem Haus eine Omi, die uns ins Haus locken wollte. Wenn ich dankend ablehnte, versuchten sie mich zu bestechen mit Gemüse, Obst, Gebäck oder sie versuchten mir ein schlechtes Gewissen einzureden mit Sprüchen wie: „Du besuchst uns ja nie!“. Eine Dame hatte mich zeitweise an den Punkt gebracht, dass ich mich dazu verpflichtet fühlte, ihr einmal die Woche einen Besuch abzustatten. Wenn ich am Sonntag bei ihr war und ich einige Tage danach sie auf der Straße traf, war sie schon wieder am klagen, dass ich ja gar nicht wieder mal vorbei gekommen bin. Irgendwann fühlte ich mich so unterdrückt und schlecht gelaunt, dass ich beschlossen habe, ihr aus dem Weg zu gehen. Nun beschäftige ich mich wieder mit meinen eigenen Sorgen, zu Weihnachten kann ich ihr ja vielleicht mal wieder einen Besuch abstatten.

5. Sie sind faul.

Dieses Klischee habe ich an die letzte Stelle gestellt, da ich hier alle diejenigen enttäuschen muss, die auch hier auf eine eifrige Bestätigung gehofft haben. Nachdem ich mir so manche Sprüche zu diesem Thema anhören musste, möchte ich es unbedingt klar stellen. Wenn Leute im deutschen Fernsehen mal wieder von den korrupten griechischen Politiker hören, neigen sie dazu, dies zu verallgemeinern und manche von ihnen hegen einen regelrechten Hass auf die Griechen. Jetzt frage ich euch, welcher Politiker, ob Grieche, Deutscher, Amerikaner oder Afrikaner, ist denn vertrauenswürdig? Also meine Antwort: Normalverdiener in Griechenland können es sich gar nicht leisten faul zu sein! Es gibt kein monatliches Kindergeld wie in Deutschland, es gibt auch kein Hartz Vier, wenn du nicht arbeitest, gibt es einfach kein Geld. So ist das in Griechenland! Und es reicht nicht, dass man keine Unterstützung vom Staat bekommt, er verlangt auch immer mehr. Die Einkommenssteuer wird jedes Jahr erhöht, wer Grundbesitz hat, muss auch dafür einen jährlichen Steuersatz bezahlen, egal ob er davon irgendeinen Nutzen hat, die Renten werden jedes Jahr gekürzt, also müssen die Jüngeren meistens noch ihre Eltern und Großeltern unterstützen. Und all dies bei einem Mindestlohn von gerade einmal 586€. Jetzt stellt sich die Frage, welche Rechnung begleicht ihr als erstes, wenn ihr 586€ zur Verfügung habt und z.B. zwei schulpflichtige Kinder? Jetzt könnt ihr euch sicher auch selbst die Fragen beantworten, warum die Zahlen der Schwarzarbeiter und Steuerhinterzieher in Griechenland zu den höchsten in der EU gehören.

  

Wie ihr seht, könnte ich Bände füllen mit den Geschichten rund um Griechenland und seine Bewohner, wer weiß, vielleicht werde ich das auch noch tun. Es gibt noch jede Menge Klischees, die ich anhand von eigenen Erfahrungen bestätigen oder widerlegen könnte. Z.B. die enge Bindung unserer Dorfbewohner an die Tradition und Religion, die oft Widersprüche birgt. Oder der starke familiäre Zusammenhalt und wie weit das gehen kann. Diese Themen würden jedoch den Rahmen dieses blogposts sprengen und ich werde sie in späteren Posts aufgreifen. Wenn ihr Fragen oder Vorschläge habt freue ich mich auf Kommentare!

Wenn ihr bis dahin noch weitere Post über die griechische Tradition lesen möchtet, könnt ihr noch folgendes lesen:
->GriechischeTaufe- Totaler Stress

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